Liebes Team vom Maschinenhaus,
vor ein paar Wochen habe ich mir „Jagger Jagger“ des freien Ensembles Toboso bei euch im Maschinenhaus angesehen.
Eine Freundin von mir hatte zwei Freikarten – und ich hatte keine anderen Pläne. Ein Kindertheaterstück über einen Jungen, der sich mit einem sprechenden Hund anfreundet… warum auch nicht, dachte ich mir und setzte mich ohne große Erwartungen in den Zuschauerraum. 80 Minuten später hatte ich Tränen in den Augen.
Was ich da miterleben durfte, war Kinder- und Jugendtheater, wie es bitte immer sein soll. Dynamisch, frech, witzig, berührend. Theater, das zum Nachdenken anregt, ohne den pädagogischen Zeigefinger heben zu müssen.
Das unmittelbare und physische Spiel aller Darsteller:innen, der intelligente Einsatz von Licht, Ton und Bühnenbild, diese Variationen im Tempo, der spürbare respektvolle Umgang mit dem Text von Frida Nilsson – unglaublich!
Es mag eine Berufskrankheit sein, dass ich als Zuschauerin oft mehr damit beschäftigt bin, zu analysieren, WIE etwas gemacht wird, als mich in dem Moment des Zuschauens darauf einzulassen, WAS erzählt wird. Doch die Inszenierung von „Jagger Jagger“ ließ mir gar keine Chance, einfach nur in meinem Analysemodus zu verharren. Ja, es war die Geschichte eines Jungen, der gemobbt wird, und sich mit einem sprechenden Hund anfreundet. Doch gerade dieser sprechende Hund hat so viele weitere Erzählebenen aufgemacht. Plötzlich sah ich auf der Bühne eine obdachlose Frau mit Plastiktüten oder einen traumatisierten Jugendlichen, der nur noch um sich schlagen kann – in einem einzigen Moment wurden so viele Geschichten gleichzeitig erzählt – von Randständigkeit, Einsamkeit und Freundschaft – denen man sich nicht entziehen konnte.
Seit langer Zeit hat mich keine Inszenierung so berührt und beglückt wie „Jagger Jagger“ von Toboso. Bitte macht weiter solch großartige Arbeit, holt spannende Projekte und Gruppen zu uns in den Essener Norden und schenkt den Menschen immer wieder Kulturerlebnisse, die lange nachwirken!
Herzliche Grüße
Sarah Jäger
Sarah Jäger lebt im Ruhrgebiet. Sie ist IHK-zertifizierte Call-Center-Agentin, ausgebildete Theaterpädagogin und umgeschulte Buchhändlerin. Ihr Jugendbuch «Die Nacht so groß wie wir» war für den Deutschen Jugendliteraturpreis nominiert und wurde mit dem Hans-im-Glück-Preis ausgezeichnet.
Bildnachweis: © Anna-Lisa Konrad